Philipp Trommlers Blog

Veröffentliche den Blog, den du selbst gern lesen würdest

Es ist still geworden auf meinem Blog und das hat seine Gründe. Blogging ist nur einer der vielen Punkte auf meiner To-Do-Liste und es steht außerdem relativ weit unten auf ebendieser. Aber es geht nicht nur darum, Zeit zum Schreiben zu finden, sondern auch darum, motiviert zu bleiben.

Veröffentlicht am von Philipp Trommler. Dieser Beitrag wurde außerdem übersetzt nach: en.

Als ich (mal wieder 🙄) angefangen habe zu bloggen, habe ich mir meinen Blog als rein technische Veröffentlichung vorgestellt: Tutorials und Zusammenfassungen zu Hardware- und Software-Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe. Das Problem dabei: Zeit ist knapp und tatsächlich mache ich nebenbei nicht viel mit Computern und erst Recht nicht genug neue oder gar brandneue Dinge, um damit einen ganzen, interessanten Blog zu füllen.

Ja, andere machen das. Jeden Tag kann man bei Hacker News Blogeinträge von Leuten bestaunen, die entweder zu viel Zeit oder einen ziemlich ungesunden Lebensstil haben. Natürlich brauchen viele der Artikel, die bei HN geteilt werden, viel Zeit um geschrieben, überarbeitet und veröffentlicht zu werden und die Anhäufung, die man auf diesen Aggregationsseiten findet, erweckt nur den Eindruck, dass die Autoren solche Beiträge ausspucken, als wäre es nichts1. Dennoch bestärkt das tägliche Durchsehen dieser Auflistungen das Imposter Syndrome sehr und lässt zusätzlich das Veröffentlichen eigener Posts unnütz erscheinen. Schließlich hat bestimmt schon jemand anderes einen Blogeintrag zum selben Thema fertig und veröffentlicht. Warum überhaupt anfangen?

Aber das ist nicht alles. Weil ich mich selbst darauf beschränkt habe, nur technische Themen zu behandeln, habe ich Situationen erlebt, in denen ich überaus motiviert gewesen bin zu schreiben, aber es mir dennoch selbst verboten habe, da der Post thematisch nicht passend2 gewesen wäre. Und erst all die kurzen Beiträge, die ich nicht geschrieben habe, weil ich der Meinung gewesen bin, dass zunächst ein längerer, ausgearbeiteter Eintrag veröffentlicht werden müsste…

Wenn ich mich im Internet so umsehe, habe ich das Gefühl, dass ich mit meiner Situation nicht alleine bin: Viele Blogs werden bestenfalls selten aktualisiert und noch mehr werden schon nach wenigen Posts vollständig aufgegeben.


Das Internet gehört den Unternehmen. Das ist nicht schon immer, aber doch schon eine ganze Weile so. Zugegebenermaßen habe ich keine Erfahrungen mit dem Internet, als es noch völlig frei von Unternehmenseinflüssen war, aber ich erinnere mich lebhaft an bessere Zeiten mit wirklichen Personal Websites anstelle der heutigen Unternehmenssilos.

Die Ankunft der sogenannten sozialen Medien hat viele persönliche, in Eigenregie betriebene Webseiten ausgelöscht. Homepages und Blogs wurden oft genug vollständig durch Facebook-Seiten3 ersetzt. Falls die originalen Seiten nicht komplett eingestellt worden waren, wurden sie in der Regel nur noch mit langen, hoch technischen Einträgen gefüllt, die für die kleinen Textfelder, die die Social-Media-Plattformen zur Selbstdarstellung bieten, unpassend waren4. Und alles in allem ist das immer noch die Situation, in der wir uns bis heute befinden. Doch muss das so sein?

Wer die Inhalte hostet, ist allerdings nicht der einzige Umstand, der sich geändert hat. Auch die Inhalte selbst haben sich immer weiter Unternehmensstandards angepasst. Natürlich gibt es technische Blogs, die von den Unternehmen selbst betrieben werden und von denen man daher einen entsprechenden Auftritt erwartet. Doch selbst die kleinsten persönlichen Homepages sind oft sauber, formal und professionell geworden. Und, ehrlich gesagt, unpersönlich und langweilig5. Sie bestehen häufig aus einem der immer gleich aussehenden und von Bootstrap inspirierten Themes und Blogeinträgen, die wirken, als hätte der Autor mehr Interesse an dem zu erwartendem SEO-Boost als an dem Thema an sich. Solche Webseiten fühlen sich an, als würden sie nur betrieben, damit sie im Lebenslauf des Autors erscheinen können.

Doch selbst die weniger stark betroffenen persönlichen Seiten sind heute viel sauberer als manch eine Unternehmenswebseite vor rund 20 Jahren. Wo sind die eigenwilligen und dogmatischen Themen, das Fluchen, die $EVILCORP-Anspielungen? Wo sind die ernstgemeinten Liebesbriefe an kontroverse Persönlichkeiten wie RMS oder der pure Hass gegen das neueste Init-System, der auf eine Art vorgetragen wird, die jeden existierenden Code of Conduct verletzen würde? Wo sind die schrulligen, nicht technischen Posts über die sonstigen Hobbies des Autors? Wo die Kommentare zur aktuellen Lokalpolitik?

Hat sich vielleicht der gesamte Technologiesektor den Unternehmensstandards untergeordnet?


Man könnte argumentieren, dass es doch eigentlich egal ist, wo der Inhalt des Internets gehostet wird. Und bis zu einem gewissen Punkt stimmt das auch. Doch in den Details unterscheiden sich Social-Media-Kanäle und persönlich Websites erheblich.

Erstens kontrolliert man auf seiner eigenen Homepage, wie die eigenen Inhalte veröffentlicht werden. Das stimmt auf technischer Ebene, aber umso mehr auch auf redaktioneller: Man selbst entscheidet, was die eigenen Leser zu sehen bekommen und in welcher Reihenfolge. Es gibt keinen Algorithmus, der den eigenen Auftritt optimiert, indem er bestimmte Dinge auslässt6 und andere hervorhebt. Es gibt keine Verhaltensregeln und keine versteckte politische Zuneigung des Herausgebers zu der einen oder anderen Partei, die in die Beurteilung der eigenen Beitrage einfließen. Was man schreibt, ist genau das, was die anderen lesen werden, ob man das nun mag oder nicht. Die eigene Webseite repräsentiert den Autor viel mehr als das gefilterte Social-Media-Profil, das Facebook für ihn angelegt hat.

Zweitens bleiben die eigenen Inhalte persönliches Eigentum. Anstatt dass alles jedesmal verloren geht oder neu veröffentlicht werden muss, wenn der Hype-Train Fahrt zur nächsten Social-Media-Plattform aufnimmt, kann man einfach bleiben, wo man ist. Und sollte der gewählte Web-Hoster mal Pleite gehen, kann man einfach den nächsten wählen und weitermachen, als wäre nichts passiert7.

Drittens unterstützt man, wenn man selbst hostet, keine Social-Media-Plattform durch das Veröffentlichen der eigenen Inhalte durch diese und keine anderen Autoren, mit denen man lieber nicht in Verbindung gebracht werden möchte, indem man neben ihnen erscheint.

Der letzte und wichtigste Punkt ist jedoch, dass Veröffentlichungen auf dem eigenen Blog ein viel höheres Gewicht haben, als die Dinge, die man auf Social-Media-Kanälen, in Foren oder in Kommentarspalten hinterlässt. Im endlosen und oft auch anonymen Informationsstrom, der von diesen Silos produziert wird, kann man nahezu alles veröffentlichen, ohne jemals ernsthaft zur Rechenschaft gezogen zu werden. Längst haben die nächsten Neuigkeiten den eigenen Schmutz schon verdrängt, bevor Gerechtigkeit walten konnte. Ich denke, dass dieser Umstand einer der Hauptgründe ist, warum wir so viele radikalisierende und provozierende Inhalte gerade in sozialen Medien finden: Jede Werbung ist gute Werbung und es steht nichts wirklich auf dem Spiel. Auf der eigenen Webseite setzt man unterdessen mit jeder Veröffentlichung die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel, denn jeder Post wird dort stehen, gleich neben den anderen, für Jedermann zu sehen und für immer mit der mühsam aufgebauten Online-Identität verbunden. Ein bisschen mehr dieser Anhänglichkeit der eigenen Missetaten würde unseren Gesellschaften gut tun, denke ich.


Ich würde gerne ein Internet nutzen, in dem die Menschen erst denken und dann schreiben und in dem sie zu ihren Aussagen stehen. Ich würde gern Meinungsstücke lesen und zwar so, wie sie sich die Autoren vorgestellt haben. Ich würde gern die Entwicklung eines Autors auf seiner lange bestehenden Online-Plattform verfolgen und zwar ohne, dass ich dafür meine Seele an das nächste soziale Netzwerk verkaufen muss. Das heißt nicht, dass ich keine technische Blogeinträge mehr lesen will. Ich würde nur auch gerne etwas über die Person hinter dem Post erfahren. Ich hätte einfach gerne wieder ein Netzwerk aus Persönlichkeiten anstatt eines Netzwerks aus Unternehmen.

"Mache selbst den ersten Schritt", sagt man. Also los: Ich habe keine wirklichen Social-Media-Profile, die ich stilllegen könnte, aber von heute an will ich diesen Blog mehr wie ein Social-Media-Profil behandeln und nicht mehr nur wie eine rein technische Veröffentlichung. Es wird weiterhin auch technische Beiträge geben, aber auch meinungslastigere. Kürzere, dafür häufigere Post, gespickt mit längeren Einträgen von Zeit zu Zeit. Ich will mich nicht noch einmal selbst davon abhalten, das zu schreiben, worauf ich jetzt Lust habe, nur um später etwas längeres veröffentlichen zu können.

Jetzt ist nicht die Zeit zu schweigen, nur um zu versuchen, irgendwann mal auf Seite eins von Hacker News zu kommen.

  1. Natürlich gibt es Leute mit zu viel Zeit und/oder einem ungesunden Lebensstil, die solche Beträge ausspucken, als wäre es nichts, aber ich weiß nicht, wie nachhaltig das ist.
  2. Lustig, wie man sich selbst einreden kann, etwas wäre thematisch nicht passend für den eigenen Blog mit circa zehn Einträgen…
  3. Die nun ihrerseits lange vergessen und durch eine Instagram, TikTok oder was-weiß-ich-Seite ersetzt worden ist…
  4. Ich weiß, dass die Story etwas komplexer ist als das und dass sie viele Zwischenschritte wie zum Beispiel Tumblr enthält, und ich weiß auch, dass die sozialen Medien für viele Menschen die erste Möglichkeit überhaupt darstellten, sich öffentlich darzustellen, aber dennoch bleibt mein Argument meiner Meinung nach valide: Persönliche und/oder meinungslastige Inhalte sind häufig von persönlichen Seiten entfernt und auf Social-Media-Kanäle übertragen worden.
  5. Einige nennenswerte Ausnahmen finden sich im openring-Abschnitt weiter unten.
  6. Die Inhalte mögen technisch noch auf dem eigenen Profil auffindbar sein, doch, was nicht prominent im Feed der potentiellen Leser gezeigt wird, ist praktisch verloren.
  7. Indem man einen einfachen, statischen Technologie-Stack wählt, kann man seine Webseite wahrscheinlich bei vernünftiger Geschwindigkeit kostenlos hosten lassen oder sogar mit einigen Reserven bei einem der vielen 1$/1€ VPS-Anbieter.

Abgelegt unter Opinion. Tags: blogging, programming, publishing, reading, web.

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